République des Lettres

Die kollaborative Daten- und Editionsplattform République des Lettres erschliesst transnationale Netze des Wissens. Entsprechend ihrem Namen umspannt die Verbundplattform die gesamte Frühe Neuzeit, wobei die zeitlichen Grenzen am Anfang und Ende der Epoche fliessend sind.

Im Zentrum stehen die gelehrten Praktiken und Akteur:innen, die in ihrer Gesamtheit den offenen Kommunikationsraum der Gelehrtenrepublik konstituieren. Repräsentiert werden dabei sowohl Kommunikationsvorgänge über räumliche Distanzen hinweg als auch solche vor Ort wie Versammlungen und Reisebegegnungen. Bücher, Zeitschriften, Buchbesprechungen, Briefe und weitere Handschriften bilden als Medien der Gelehrtenrepublik ebenso grundlegende Elemente wie Institutionen (Sozietäten, Bibliotheken, Sammlungen, Verlage/Druckereien) und Forschungsobjekte, so bis jetzt in erster Linie Pflanzenarten und ihre Belege in Herbarien sowie ärztliche Journaleinträge.

Die Verbundplattform beschränkt sich aber nicht auf die naturwissenschaftlichen und medizinischen Wissensbestände, sondern bildet mit einem breiten wissens- und kulturgeschichtlichen Ansatz das zeitgenössische Selbstverständnis der Gelehrtenrepublik ab, das auch Literatur und Theologie, aufgeklärte Reformdiskurse und landwirtschaftliche Anbaumethoden beinhaltet. Zudem unterstützt die Verbundplattform mit ihrem prosopografischen Zugang die Verortung der Akteur:innen in spezifischen gesellschaftlichen, politischen und räumlichen Kontexten, die über die gelehrte Welt hinausweisen. Insgesamt besitzen diese vielfältigen Daten das Potential, Brücken zu schlagen zwischen den Natur- und den Kulturwissenschaften, die in der frühneuzeitlichen Gelehrtenrepublik noch sehr viel weniger separiert waren als in den Wissensgesellschaften der Moderne.

Als kollaborative Verbundplattform integriert sie Projekte, die einander sowohl in ihrer digitalen Struktur als auch in ihrer inhaltlichen Ausrichtung verwandt sind. Ermöglicht werden damit zum einen technische Synergien und zum anderen inhaltliche Verdichtungen. Gleichzeitig bleiben Visibilität und wissenschaftliche Eigenständigkeit der Herausgeber:innen von Editionen und Strukturdaten erhalten. Dieses Zusammengehen wird von der Schweizerischen Gesellschaft für die Erforschung des achtzehnten Jahrhunderts SGEAJ, der Schweizerischen Gesellschaft für Geschichte der Medizin und der Naturwissenschaften SGGMN sowie der Swiss Association of University Teachers of English SAUTE als massgebliche wissenschaftliche Fachgesellschaften ausdrücklich unterstützt.

Die Daten und Editionen auf République des Lettres beruhen auf dem TEI-XML-Standard. Die Plattform hallerNet, die diesen Standard ins Zentrum stellte, wuchs durch Kooperationen zur kollaborativen Verbundplattform République des Lettres heran. Dabei bietet République des Lettres eine Langzeitperspektive für inhaltlich zusammenhängende Editionsprojekte, wobei unterschiedliche Quellentypen dauerhaft zueinander in Beziehung gesetzt werden. Im Gegensatz zu anderen Datenrepositorien, die Daten und Texte projektweise ablegen, realisiert République des Lettres fortwährende Integration und dynamische Weiterentwicklung auf unterschiedlichen Ebenen:

  • Transformation auf standardisierte Datenformate
  • Homogenität mittels gemeinsamen Datenkonventionen und elastischem Editionsmodell
  • Gemeinsame Nutzung der Strukturdaten (kumulativer Data Life Cycle)
  • Einheitliche Präsentation (inkl. Suche, Filter, Visualisierung)
  • Synergien in Systementwicklung und -wartung

Für ausführlichere Informationen zur Systemarchitektur vgl. die technische Dokumentation.

Das Rebranding auf 1. November 2025 erfolgte mit finanzieller Unterstützung der Albrecht von Haller-Stiftung in Kooperation mit dem Data Science Lab DSL:

  • Peter Dängeli (Domain-Transfer)
  • Christian Forney (Frontend)
  • Lukas Heinzmann (hallerNet)
  • Katharina Scheller (Gestaltung)
  • Martin Stuber (hallerNet)

Grundsätze der kollaborativen Plattform

Die Systementwicklung von République des Lettres erfolgt im Sinne der dynamischen Digital humanities, forschungsgetrieben und und in enger inhaltlich-technischer Verzahnung. Den zentralen Orientierungspunkt bilden die FAIR-Data Kriterien(siehe Dängeli/Stuber 2020), die auf République des Lettres in den folgenden drei Grundsätzen konkretisiert werden:

1) kollaborativ
  • Der gemeinschaftliche Nutzen ergibt sich aus dem Prinzip des Gebens und Nehmens. Wer seine Daten gemäss den Kriterien von FAIR-Data in das System integriert, ermöglicht die Nachnutzung durch andere Forscher:innen. Umgekehrt kann er / sie genau dann von den Vorgängerdaten profitieren, wenn diese den FAIR-Data-Kriterien genügen.
  • Neuentwicklungen werden auf allgemeine Nutzbarkeit ausgerichtet. Gegenüber generellen Lösungen haben Spezialfälle zurückzustehen. Die Anzahl der Felder und die möglichen Publikationsformen bleiben ebenso beschränkt wie die Auszeichnungsmöglichkeiten bei Transkriptionen, wobei das elastische Editionsmodell mit einem variablem Verfeinerungsgrad umgesetzt wird.
2) datenzentriert
  • Das Herzstück der kollaborativen Plattform bilden die systematischen Verknüpfungen zwischen den Texteditionen und den kuratierten Strukturdaten (datenzentrierte Edition). Dabei kommt den Personendaten als Scharnierstellen zwischen den unterschiedlichen Quellen eine zentrale Bedeutung zu. Die referenzierten Strukturdaten stellen dynamische Indices dar, die mit jeder zusätzlich integrierten Edition weiter angereichert werden. Zudem erleichtern die Strukturdaten das Identifizieren von Entitäten in künftigen Editionen erheblich.
  • Die kumulative Wiederverwendung der Daten (reusable research data) ist erstens garantiert durch die Trennung von allgemeiner und lokaler (stellen- oder projektspezifischer) Information, zweitens durch die durchgehende Angabe der Informationsquellen und drittens durch die Verknüpfung mit Normdaten (GND, VIAF, IdRef, GBIF, ISIL, GRSciColl, GeoNames, InfoFlora).
  • Es wird konsequent zwischen Form und Inhalt getrennt. Dabei werden Daten gemäss definierten Konventionen kleinteilig strukturiert und als first-class citizen gegenüber der Präsentation prioritär behandelt.
3) modular
  • Die Verbundplattform besitzt einen modularen Aufbau, indem Backend, Suchmaschine, Frontend, IIIF-Server, Triplestore und Verarbeitungsumgebung (Editor, Repositorium) separate Einheiten bilden, die über definierte Schnittstellen miteinander kommunizieren und kontinuierlich weiterentwickelt werden.
  • Wartung und Entwicklung erfolgen mit spezialisierter Expertise, da sie auf spezifische Module einzugrenzen sind. Namentlich können einzelne Komponenten ausgetauscht oder neu hinzugefügt werden, ohne die Funktionalität des Gesamtsystems einzuschränken.

Laufende kollaborative Weiterentwicklung

Dank der Modularität des Systems gestaltet sich die technische Weiterentwicklung von République des Lettres häufig bereichsspezifisch. In diesem Rahmen bestehen oder entstehen auch generische Komponenten, die nicht exklusiv für die Plattform entwickelt werden, sondern deren Architektur und Funktionalität auf eine breitere Nutzung in anderen Projekten und Infrastrukturen ausgelegt sind. Solche Entwicklungen fördern nicht nur den Austausch zwischen Projekten und Institutionen und eröffnen Synergien auf technischer wie konzeptioneller Ebene.

Ein Beispiel hierfür ist der Aufbau eines IIIF-Services an der Universitätsbibliothek Bern (UB), der in Kooperation mit den Digital Humanities, hallerNet und der Bibliothek selbst realisiert wurde. Derzeit wird dieser Service von vielen Projekten an der Universität Bern genutzt.

Aktuell ist République des Lettres an weiteren Projekten beteiligt:

Projekt ORDIIIF (2025-2026)

Das Förderprogramm «Swiss Open Research Data Grants» (CHORD) wird gemeinsam von swissuniversities und der ETH organisiert. Es zielt auf die Förderung von Projekten ab, die ORD-Praktiken in Disziplinen erproben, die in diesem Bereich noch nicht oder wenig aktiv sind. Dadurch soll der Weg zu nachhaltigen ORD-Praktiken geebnet und der Austausch zwischen Forschungsgemeinschaften gefördert werden. Für dieses Förderungsprogramm hat hallerNet/République des Lettres gemeinsam mit der ETH Bibliothek Zürich, dem Data Science Lab (DSL) in Bern und dem Basler Projekt SwissBritNet das Projektgesuch ORDIIIF eingereicht, das mit der Laufzeit vom 1. Juli 2025 bis 31. Juli 2026 genehmigt wurde.

Das ORDIIIF-Projekt zielt darauf ab, die Interoperabilität offener Forschungsdaten (ORD) durch den Einsatz des International Image Interoperability Framework (IIIF) zu verbessern. Mit Hilfe eines innovativen Netzwerkansatzes verbindet das Projekt die Forschungsdaten der Plattform hallerNet/RdL mit der Schweizer Plattform für digitalisierte Zeitschriften, E-Periodica (ETH-Bibliothek Zürich). Die Verwendung von IIIF-Manifesten erlaubt eine dynamische Datenintegration ohne Duplikate und damit eine flexible und strukturierte Wiederverwendung historischer Forschungsdaten.

Als Fallstudie konzentriert sich das Projekt auf die Zeitschrift der Oekonomischen Gesellschaft Bern, die zwischen 1760 und 1796 herausgegeben wurde. Während E-Periodica Scans mit OCR-generierten Volltexten bereitstellt, bietet hallerNet/RdL detaillierte Metadaten zu Artikeln, Autoren und behandelten Themen. Durch die Verknüpfung dieser sich ergänzenden Informationen verbessert das Projekt einerseits die Zugänglichkeit und Auffindbarkeit und bietet andererseits ein Modell für zukünftige Verbindungen zwischen Forschungsplattformen und digitalen Repositorien. Zu diesem Zweck werden die Workflows und Ergebnisse als Best Practises für die ORD-Community veröffentlicht.

DOI für Editionen (2025-2026)

Die Universitätsbibliothek Bern, Abteilung Open Science, verfügt über die Möglichkeit der Vergabe von Digital Object Identifiers (DOI) zur eindeutigen Kennzeichnung von digitaler Dokumente. Aktuell wird daran gearbeitet, die DOI-Vergabe gezielt zur Stabilisierung und langfristigen Referenzierbarkeit von Daten digitaler Editionen einzusetzen. Neben Gotthelf digital ist auch République des Lettres konzeptuell in diese Entwicklung eingebunden.

Die Möglichkeit der DOI-Vergabe trägt wesentlich zur nachhaltigen Sicherung von Editionen bei und stärkt damit insbesondere die Rolle von République des Lettres als kollaborative und langfristig orientierte Publikationsplattform.

Vorausgegangene Plattformprojekte (History)

Von hallerNet zu République des Lettres (2019-2025)

Mit dem Transformationsprojekt haller online (2016-2019) wurde nicht nur die neue Plattform hallerNet geschaffen, sondern es fand auch ein wichtiger Kompetenz- und Wissenstransfer im technischen Bereich statt. Dieser erlaubt es seither, die Plattform eigenständig weiterzuentwickeln und so auf die sich wandelnden Ansprüche an eine forschungsorientierte Daten- und Editionsplattform auszurichten. Entstehung und Weiterentwicklung der Verbundplattform erfolgten – und erfolgen weiterhin – nicht nach einem Masterplan (top down), sondern forschungsgetrieben (bottom up).

Anpassungen an den Datenstrukturen und der Editionsumgebung erfolgten bereits im Rahmen eines vom SNF finanzierten Projekts, in dem von 2018 bis 2023 rund 4’000 Briefe aus Albrecht von Hallers Korrespondenz und seine 9'900 Buchrezensionen in den Göttingischen Gelehrten Anzeigen ediert wurden. Seit 2023 integrieren die drei Forschungsprojekte Bibliothèques et musées, Lichens of the Enlightenment und SwissBritNet ihre Editionen und Strukturdaten in hallerNet und stellen dafür entsprechende Finanzmittel bzw. Anstellungsprozente bereit. Aufgrund der praktisch erprobten Anschlussfähigkeit von hallerNet entstand die Idee, daraus die kollaborative Verbundplattform République des Lettres zu entwickeln. Wesentlich war dabei der kontinuierliche Austausch in den nationalen und internationalen Fachgemeinschaften (digitales Edieren, naturwissenschaftliche Sammlungen, Open Research Data, u.a.).

haller online (2016-2019)

Mit dem Auslaufen der Softwarepflege von FAUST (1991-2015) und den gestiegenen Anforderungen an digitale Informationsaufbereitung und nachhaltige Zugänglichkeit entstand die Initiative für ein Transformationsprojekt. Im Auftrag der Albrecht von Haller-Stiftung wurde das Projekt haller online zwischen 2016 und 2019 als Forschungskooperation zwischen dem Historischen Institut der Universität Bern und dem Cologne Center for eHumanities (Kreditvolumen 1,18 Mio. CHF) durchgeführt. Dabei stellte die Überführung der umfangreichen FAUST-Daten in eine TEI-konforme XML-Struktur ein entscheidender Schritt hin zu einer zukunftsfähigen, offenen Editionsinfrastruktur dar. Parallel dazu wurde eine digitale Editionsumgebung geschaffen, die eine philologisch präzise Bearbeitung, die semantische Verknüpfung mit strukturierten Daten sowie eine zeitgemässe Präsentation im Web ermöglicht.

Während in den 1990er- und 2000er-Jahren der Schwerpunkt auf der Erfassung biografischer, bibliografischer und korrespondenzbezogener Daten lag, eröffnete die Einrichtung der neuen Editionsumgebung die Möglichkeit, auch Texte systematisch zu edieren. Dabei erwiesen sich die zuvor aufgebauten strukturierten Daten sowohl als Grundlage als auch als stabile Referenzobjekte als besonders wertvoll. Durch die systematische Verknüpfung von edierten Texten mit Strukturdaten werden Letztere fortlaufend angereichert, aktualisiert und in neuen Zusammenhängen wiederverwendet. Dies erleichtert nicht nur die laufende Auszeichnung von Personen, Publikationen, Orten und Institutionen, sondern erlaubt auch die Gewinnung von Forschungsdaten für Visualisierungen wie Netzwerke oder räumliche Analysen.

Albrecht von Haller-Stiftung, Datenbankausschuss Projektleitung Berner Werkstatt
  • Heinz Rohner (Datenmigration/Reportingsystem)
  • Christian Forney (Editions-Prototypen/Digitalisierung/Visualisierung)
  • Luc Lienhard (Botanische Daten)
  • Raphael Germann (Datenpflege/Editions-Prototypen/Transkriptionen)
  • Janik Hug (Datenpflege/Editions-Prototypen)
  • Judith Neuenschwander (Datenpflege/Frontend/Usability)
  • Remo Stämpfli (Datenpflege/Editions-Prototypen)
  • Therese Dudan (Sekretariat)
Kölner Werkstatt Ausgangskonzept/Beratung/Schulung Digitalisierung/Datenmodellierung Finanzielle Unterstützung:

Albrecht von Haller-Stiftung der Burgergemeinde Bern, Burgergemeinde Bern, Ernst Göhner Stiftung, Fondation Johanna Dürmüller-Bol, Gesellschaft zu Ober-Gerwern Bern, Lotteriefonds Kanton Bern, Schweizerischer Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung SNF / Fonds National Suisse de la Recherche FNS, Stiftung Pro Scientia et Arte, Universität Bern, Ursula Wirz-Stiftung, Institut für Kulturforschung Graubünden .

Verbunddatenbank FAUST (1991-2015)

Im Rahmen der beiden nachfolgenden SNF-Projekte wurden seit Anfang der 1990er-Jahre umfangreiche prosopografische und bibliografische Metadaten erhoben und in Form einer relationalen Verbunddatenbank (Software FAUST) gespeichert (siehe Stuber 1999; Steinke 2003; Flückiger/Stuber 2009):

Bemerkenswert war dabei die Tiefe der Metadatenerschliessung, die beispielsweise nicht nur biografische Eckdaten wie Geburts-/Sterbedatum und -ort oder die Hauptbeschäftigung umfasste, sondern auch Ausbildungsstationen, Reiseziele, Ämter und Mitgliedschaften usw. einbezog und das Beziehungsnetz (Verwandtschaftsbeziehungen, Briefkontakte) soweit möglich erfasste. Während die prosopografische Erhebung weitgehend auf biografischen Werken sowie auf edierten Universitätsmatrikeln und Mitgliederlisten von Akademien und Sozietäten basierte (siehe Repertorium 2002), stützten sich die bibliografischen Daten v.a. auf zwei autoptisch erarbeitete Grundlagenwerke (Monti 1983-1994, Steinke/Profos 2004).