Die Korrespondenz wird eröffnet mit B.s Zusendung seiner Pflanzenstudien («Bonnet 1754»). Er kann damit sein zweites bedeutendes naturwissenschaftliches Werk vorlegen und ist daran, wie AvH europaweite Bekanntheit zu erlangen. Der sich unmittelbar einstellende konstante und zeitweise enge Briefwechsel ist Zeugnis einer Freundschaft zwischen zwei Gleichgestellten und geprägt von Vertrautheit und gegenseitiger Achtung. Vier Themenkreise bestimmen das Gespräch: die Naturwissenschaften, die Politik, die Religion und private Angelegenheiten. Die Briefpartner weisen auf neue wissenschaftliche Publikationen und Diskussionen hin und geben Auskunft über wissenschaftliche Beziehungen und Institutionen. Inhaltliches Zentrum dieser wissenschaftsorganisatorischen Fragen bilden die Medizin und die Biologie. Am ausführlichsten kommen die Debatten um die Embryologie und Irritabilität/Sensibilität zur Sprache, wobei AvH und B. ihre Positionen und ihr Verhältnis zu einzelnen Forschern (
Georges-Louis Leclerc de Buffon (1707-1788), A. de Haen [K],
J.T. Needham [K],
C.F. Wolff [K]) darlegen. Weitere naturwissenschaftliche Themen sind AvH.s Forschungsgebiete der Blutzirkulation, Knochenbildung und Atmungsphysiologie sowie die psychologisch ausgerichtete Erkundung der Seele, welche B. beschäftigt. Daneben nehmen auch die praktische Medizin (Krankengeschichten, Epidemien, Pockeninokulation, AvH.s Opiumtherapie) und in einer späteren Korrespondenzphase die Geologie (Erdbeben, Bildung der Gebirge, Ursprung der Fossilien im Binnenland) sowie Berichte von Forschungsreisen einen gewissen Raum ein. Den zweiten Schwerpunkt bilden die Genfer und die Berner Politik. Hier sind es inbesondere die sich ab 1760 vorbereitenden Unruhen in Genf und deren Ausbruch 1765-68, welche eine Intensivierung des Briefaustauschs bewirken. B. liefert AvH wichtige Informationen über den Verlauf der Ereignisse. Die Korrespondenten bringen durch ihre Unterstützung der "négatifs" ihre konservative Haltung zum Ausdruck. Die von Frankreich beabsichtigte Erbauung eines Hafens in Versoix im März 1768 wird genau verfolgt und kommentiert. Das dritte Thema umfasst religiöse und moralische Überlegungen, vor allem vom Ende der 1760er Jahre an, die sich insbesondere als Kritik am deistischen Gedankengut bei Rousseau, Voltaire [K], den "philosophes" und in der «Encyclopédie de Paris» manifestieren. Die dabei zum Vorschein kommenden unterschiedlichen Standpunkte des orthodoxeren AvH und des etwas offeneren B. belasten das Verhältnis zeitweilig. Einen vierten Themenkreis bilden schliesslich die zahlreichen Angaben über Ereignisse, Entscheidungen und Befürchtungen im privaten Bereich der Korrespondenten. In diesem Zusammenhang werden insbesondere B.s Frau
Jeanne-Marie Bonnet-de La Rive (1728-1796) sowie AvH.s Söhne G.E. von Haller [K] und R.E. von Haller [K] erwähnt. Literarische Themen werden nur am Rande berührt, am ausführlichsten sind B.s Kritik an AvH.s Gedicht 'Über den Ursprung des Übels' sowie beidseitige Erörterungen zu AvH.s Staatsromanen (insbesondere «*Usong 1771»). Häufig erwähnt werden:
B.S. Albinus [K], P. de Buisson de Beauteville [K], K.V. von Bonstetten [K],
Jean-Antoine Butini (1723-1810),
Etienne-François de Choiseul (1719-1785), H.-L. Duhamel de Monceau [K], F.B. de Felice [K], Friedrich II., Ludwig XV., P.-L.M. de Maupertuis [K], Montesquieu, R.-A.F. de Réaumur [K], H.-B. de Saussure [K],
L. Spallanzani [K],
J.G. Sulzer [K] und
Abraham Trembley (1710-1784)