Klientelismus und Freundschaft – Die Korrespondenz zwischen Albrecht von Haller und Vinzenz Bernhard Tscharner
Herausgegeben von Raphael Germann, hallerNet 2019

Quantitative Analyse der Briefe

Die Korrespondenz zwischen Haller und Tscharner begann 1748 und dauerte bis 1775. Es gab zwei intensive schriftliche Kommunikationsphasen. Die erste Phase umfasst 30 Briefe und dauerte vom Mai 1748 bis Dezember 1752. In diesem Zeitraum befand sich Haller in Göttingen. Tscharners Briefe hingegen stammen aus Bern und Frauenfeld.

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In der Zeit, als sich beide Korrespondenten in Bern befanden existiert kein einziger Brief. Die zweite Phase begann 1758, als Haller für die Stelle als Salzdirektor nach Roche zog.
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Die Kommunikation stieg wieder an und dauerte bis Dezember 1763. Der Zeitraum von 1758 bis 1763 umfasst 37 Briefe. Hierbei stellt das Jahr 1761 eine Ausnahme dar, da in dieser Zeit keine Briefe ausgetauscht wurden oder erhalten sind. 1764 zog Haller zurück nach Bern, die schriftliche Kommunikation erschien somit wieder überflüssig. 1775 taucht noch ein einzelner Brief von Tscharner aus Aubonne auf. Die schriftliche Kommunikation erscheint relevant, wenn ein mündlicher Austausch aus geographischen Distanzgründen schwer oder gar unmöglich erschien. Ähnliche Phänomene zeigen sich auch bei anderen Korrespondenten in Hallers Netzwerk, beispielsweise mit Samuel Engel, Johann Georg Zimmermann oder Johann Friedrich Stettler.
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Bei der quantitativen Untersuchung der Briefe zeigen sich bei der ersten Phase (1748-1752) kaum Diskrepanzen zwischen den Korrespondenten. Dies kann als Anzeichen gesehen werden, dass eine gewisse Reziprozität gewährleistet ist. Im ersten Brief erwähnte Tscharner für Haller bekannte Namen, wie beispielsweise Johann Georg Zimmermann oder Johann Jakob Bodmer.

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Bevor es zur persönlichen Begegnung zwischen Haller und Tscharner im Frühling 1753 kam, dienten die Antwortbriefe auch als Bestätigung, dass die vorherigen Nachrichten eingetroffen waren.
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In der zweiten Phase (1758-1763) existieren mehrere Spitzen, in denen der eine Akteur mehr schrieb als der andere. Dadurch erscheint der Verdacht, dass gerade in diesen Jahren eine gewisse Reziprozität zwischen den Korrespondenten fehlte. Eine schriftliche Antwort des Gegenübers wurde somit nicht abgewartet, respektive erschien möglicherweise auch nicht notwendig. Einerseits war Roche nicht so weit entfernt von Bern wie Göttingen und einfache Nachrichten oder Zustimmungen konnten auch verbal durch Boten überliefert werden.

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Die Briefe dienten zum Teil auch zur Information für bereits getroffene Entscheidungen und der Empfänger wurde einfach darüber in Kenntnis gesetzt.
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Trotz der Unterschiede in der zweiten Phase erscheint insgesamt die Diskrepanz der Quantität von Briefen in der Korrespondenz zwischen Haller und Tscharner relativ minim.
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Die Quantität der Briefe sagen nichts über die Länge der einzelnen Schreiben aus. Die Analyse, welche zeigt, wie viele Seiten pro Brief verwendet wurden, verdeutlicht dass Tscharner gegenüber Haller mehr Papier für ein Schreiben brauchte. Diese Zahl nimmt in der zweiten Phase (1758-1763) jedoch ab.

Ein ähnliches Muster zeigt sich auch in der Untersuchung der verwendeten Zeichen pro Brief. Auch hier verringern sich diese gegenüber der zweiten Phase (1758-1763). Wiederum verwendete Tscharner mehr Zeichen als Haller.

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Insgesamt wurden zwar in der ersten Phase (1748-1752) weniger Briefe verfasst, diese waren aber Seiten- wie auch Zeichentechnisch länger.