Wahlen, Korruption und Reformversuche
Es scheint kein Zufall gewesen zu sein, dass Marianne von Haller und
Franz Ludwig Jenner kurz vor Ostern heirateten.
Denn Haller musste für die Wahlen nach Bern reisen.
Zudem konnten solche Verbindungen für politische Angelegenheiten sehr nützlich sein.
Die Sechzehner konnten beispielsweise für den
Grossen Rat Personen nominieren,
wobei auch nahe Verwandte erlaubt waren; dazu zählten auch Schwiegersöhne.
Deshalb waren die ledigen Töchter der Sechzehner vor jeder Wahl sehr begehrte Heiratskandidatinnen,
da diese das Barett, die Kopfbedeckung der Ratsherren,
als Mitgift in die Ehe bringen konnten. Sobald die Anzahl der Mitglieder im Grossen Rat auf etwa 200 verringert war,
In den gedruckten Abhandlungen der Sozietät tauchten immer wieder Themen auf,
welche auch die Politik betrafen. Manchmal wurden nur Andeutungen gemacht, ohne die Regierung zu kritisieren.
Tscharner wies in einer Vorrede der
Abhandlungen der Oekonomischen Gesellschaft darauf hin,
dass die Zahl der regimentsfähigen Berner Familien abnahm.
Ein Jahr später machten er und eine weitere Person im Grossen Rat einen Vorstoss und forderten,
dass neue Burger aufgenommen werden sollten, um dieser Tendenz entgegenzuwirken.
Henziverschwörung
Die Probleme und Schwächen der Republik Bern waren für viele Zeitgenossen kein Geheiminis.
Viele beobachteten diese Entwicklung argwöhnisch.
Vor allem regimentsfähige, aber von der Regierung ausgeschlossene Berner Burger
fühlten sich seit dem Ende des 17. Jahrhunderts immer mehr benachteiligt.
In einem Memorandum von 1744 prangerten einige den Berner Rat und das Wahlsystem an
und forderten mehr Partizipation an der Macht.
Diese Bittschrift gelangte nie in den Rat,
denn die Memorialisten wurden vorher verhaftet und bestraft.
Samuel König,
ein Mathematiker und ein Gegner der Gottschedianer, wurde beispielsweise für zehn Jahre aus der Republik Bern verbannt.
Obwohl das Verhältnis zwischen Haller und König wegen ihrer politischen Diskrepanzen abgekühlt war, vermittelte er diesen,
als er im Exil war, an die Universität Franeker.
Der Theologiestudent Friedrich Ulrich warnte am 2. Juli 1749 den Ratsherren
Johann Anton Tillier,
dass eine Gruppe von Verschwörern einen Staatsstreich plane.
Zwei Tage später wurden Samuel Henzi,
Emanuel Fueter,
Samuel Niklaus Wernier und weitere angeblich Involvierte verhaftet.
Obwohl die Verschwörung seinen Namen trägt, ist bis heute unklar,
wie stark Samuel Henzi bei der Sache beteiligt war.
Das öffentliche Interesse über die Henziverschwörung reichte weit über die Berner Grenzen hinaus.
18 Wochen nach dem Urteil waren bereits 130 Artikel in fünfzehn verschiedenen Zeitungen über diesen Fall im Umlauf.
Die Meinungen in den Medien unterschieden sich.
Während die einen die drakonischen Strafen gegen die Verschwörer guthiessen,
verurteilten andere dieses Vorgehen.
Vor allem stand die Form des Prozesses in der Kritik, welcher unter Geheimhaltung und in aller Eile durchgeführt worden war.
Trotz vielen Gerüchten und Mutmassungen tauchten in der Presse immer wieder Informationen auf,
welche auf ein gewisses Insiderwissen schliessen lassen.
Am 9. August 1749 erschien in den zwei preussischen Zeitungen, Berlinische Privilegierte Zeitung und
Berlinische Nachrichten
je ein Artikel über die Henziverschwörung.
Als Quelle wird ein “Extract eines Schreibens aus Bern vom 19. Julii” angegeben.
Durch die Medien über dieses Ereignis informiert und dadurch inspiriert,
versuchte der dazumals noch junge Gotthold Ephraim Lessing,
ein Theaterstück über die Henziverschwörung zu schreiben.
Obwohl dieses Werk unvollendet blieb, wurde 1753 ein Fragment dieses Theaterstücks in den
Kritischen Briefen publiziert.
Henzi erschien in diesem Abriss des Stückes als tragischer Held.
Während sein Mitverschwörer Dücret, gemeint ist Jacques-Barthélémy Micheli du Crest,
als rachsüchtiger und blutgieriger Fanatiker dargestellt wurde.
Die Henziverschwörung an sich scheint in der Korrespondenz zwischen Haller und Tscharner in der Folge kaum von Bedeutung gewesen zu sein.
Trotzdem taucht dieses Thema zwischen 1749 und 1752 immer wieder auf.
So spielt auch ein gewisser Hans Rudolf Wyss,
welcher wegen des Burgerlärms ins Exil verbannt wurde,
eine Rolle. Als entfernter Verwandter, durch seine erste verstorbene Frau, Marianne Wyss,
fühlte sich Haller verpflichtet, ihm zu helfen.
Er wollte sich bei Tscharner über seinen Charakter informieren.
Philosophes
Voltaire, Rousseau, etc. werden auch als
sogenannte Philosophes bezeichnet.
Dieser Ausdruck beschreibt eine Gruppe von deistischen oder materialistischen Denkern und Schriftstellern
während der französischen Aufklärung des 18. Jahrhunderts.
Das Erdbeben von Lissabon (1. November 1755) interpretierten die Philosophes, Aufklärer und Theologen unterschiedlich.
Der gläubige Haller deutete Katastrophen
“als Werkzeuge der Vorhersehung, die den Menschen auf die Ewigkeiten verweisen sollen.”
Obwohl unter dem Strich die Schönen Künste wie Literatur und Poesie immer wieder das dominierente Thema
in der Korrespondenz zwischen
Haller und Tscharner war, scheint es, dass die Namen gewisser Literaten in den Briefen eher vermieden werden.
Voltaire taucht viermal in den untersuchten Briefen auf, während Pope und Rousseau lediglich zweimal erwähnt werden.
Julien Offray de la Mettrie, ein weiterer weltanschaulichen Gegner Hallers,
wird beispielsweise kein einziges Mal in der Korrespondenz mit Tscharner genannt.
Andererseits sollten diese Erwähnungen/Nichterwähnungen in den Briefen nicht allzu gross gewichtet werden.
So werden weitere Literaten, welche die Korrespondenten schätzten und empfahlen, wie beispielsweise
Samuel Richardson oder Joseph von Petrasch,
zum Teil nur ein- bis dreimal erwähnt.