93.4 Tscharner, Johanna (ca. 1685-1733)
Zeitraum | Anzahl Einträge | Beschwerden, Befunde, Diagnosen |
---|---|---|
1733 | 12 | Fieber, Brustschmerzen, Beklemmung; Tod am 6.1.1733, Sektion |
Beteiligt: Dr. S. Herzog, Dr. F. E. Wetzel
Übersetzungen öffnen.
Korrespondenz
Haller an Gessner, 26.1.1733 (Sigerist, S. 67) (Übers. UB):
„[...] Diesen Winter hat mich die Praxis ganz beansprucht. Vernimm einen schrecklichen Fall. Ein vornehme Familie, Mutter, drei Töchter, das 45. Jahr schon überschreitend, wohnen mit dem Bruder, der wunderlich und nicht festen Geistes ist. Daher Verdiesslichkeiten, Furcht, Zornanfälle. Eine der Herrin liebe Magd leidet an Wassersucht. Die ältere der Jungfern steht der Kranken bei, bedient sie. Sie selbst wird von einer heftigen Krankheit ergriffen, durch sie auch die Mutter und die Schwestern. Die Mutter erliegt (der Krankheit) innerhalb von drei Stunden, die älteste am neunten Tag. Ich werde zu den verbliebenen gerufen. Bei ihnen Zeichen einer übel gehaltenen Pleuritis. Es brechen reichlich hirseähnliche Pusteln hervor. Am neunten Tag befinden sie sich wohl, doch reicht ein Chemiker und Patron der jüngeren ein heftig die Feuchtigkeit abführendes Mittel. Davon in kurzem Tod. Die ältere hatte das Pulver ausgeschüttet. Daher Verdacht erweckende Umstände betr. Gift, vom Bruder verabreicht. Ich öffnete die Tote: ein grosses Geschwür in der rechten Lunge zu unterst. Die letzte kam schliesslich davon, nachdem die Haut sich verändert (und) das Geschwür aufgebrochen und gereinigt war. [...]“
Haller an Trew, 24.11.1733, (Steinke, Hubert, Der nützliche Brief. Die Korrespondenz zwischen Albrecht von Haller und Christoph Jakob Trew 1733-1763, Basel 1999, S. 57-59) (Bibl. Hall. 1741) (Übers. UB):
„Den Lerneifrigen haben nämlich Verleumdungen abgehalten, durch die ich wegen der an einer gewissen Jungfer durchgeführten medizinisch-praktischen Sektion angegriffen wurde.“
Veröffentlichungen
D.D. Alberti Halleri Helv. Bernatis, observatio de peripneumonia contagiosa et perniciali. (Commercium litt. vom 12. Jan. 1735, S. 12-13) (Bibl. Hall. 1014).
Eine Witwe in gesegnetem Greisenalter, mit drei Töchtern in freiwilliger Jungfernschaft, die das Jahr ausbleibender Menses bereits erreicht und überschritten haben, erkrankt anfangs Januar des vorigen Jahres mit der ganzen Familie. Die älteste der Schwestern stirbt zuerst am zehnten Tag an Peripneumonie; die Mutter, die bekümmert bei der Tochter gesessen und ihre Pflege von der gleicherart erkrankten Magd übernommen hatte, wird durch plötzliche Erstickung dahingerafft. Zwei Jungfern sind übrig von 47 und 48 Jahren. Jede von beiden leidet an Peripneumonie. Die Beschaffenheit des aus der eröffneten Vene gelassenen Blutes war klumpig, die Farbe faulig grünlich. Einen einzigen Tag war die Krankheit der jüngeren älter. Urin bei beiden blutig, klar. Die Aushustung war bei beiden von galliger leicht blutiger (Materie); sie ist jetzt unterdrückt. Bei der jüngeren fand ich am vierten Tag einen harten Puls, der den Finger des Arztes stark zurücktrieb. Andauernder Schweiss, Schmerz erträglich, Beklemmung, Angst ausserordentlich. Ich habe befohlen Säckchen von erweichenden Kräutern mit Milch aufzulegen, der dazu gegebene Absud ist ein eröffnender Brust(absud). Die Nacht der jüngeren wurde unruhig zugebracht.
Am fünften Tag wurde starker Durst verspürt; Urin rot-gelb, er wurde mit schwebendem Weiss-Wolkigem wahrgenommen. Beklemmender Schmerz in der ganzen unteren Brust, nicht an einem Ort, und nicht stechend. Schwierigkeit zu atmen mittelmässig, Aushustung schaumig. Es ist nicht Pleuritis. Säckchen wie zuvor, dann Absud und Lecksaft mit Walrat wurden verordnet. Der Puls wird weich, ist schnell, ziemlich gleichmässig. Schweiss andauernd, bietet nicht das beste Zeichen dar.
Zur Nacht alles schlechter, Beklemmung stärker, Durst, Puls geschwind, stark.
Am sechsten Tag Schmerz verstärkt, zu dem sich andere Schmerzen durch Schenkel und Lenden gesellten, mit der Erwartung der Menses in Verbindung bebracht. Puls weich, Urin stärker rot mit Flocken. Kein Schlaf.
In der älteren Schwester wurde alles in gleicher Weise wahrgenommen. Sie habe ich jetzt erstmals gesehen. Ihr waren am vierten Tag ihrer Krankheit hirseähnliche Pusteln an den Armen hervorgebrochen. Sie spie übrigens reines Blut, schaumige Schleim(massen); der Puls war geschwind, doch gleichmässig.
In der jüngeren wird alles stärker, Puls ungeordnet, Brust stärker beklemmt.
Am siebenten Tag wird sie erleichtert, Urin lehmig-trüb, Puls vermehrt gleichmässig, weich.
Bei der älteren halbkugelige Pusten, Puls, Beklemmung, Schmerz gemässigt.
Bei der jüngeren bald darauf plötzliche Erstickung, Puls stürmisch, ungleich. Ein Trank gegeben mit Meerzwiebel-Sauerhonig und Walrat. Zu dieser Zeit nahm sie ein schweisstreibendes Mittel, geliefert von einem vornehmen Empiriker.
In kurzem wird alles stärker; Puls rasch, schwach, der Urin wird von lehmig-trüb klar, die Nacht wird mit gewaltigem Durst, ungemeiner innerer Hitze verbracht.
Es brechen am achten Tag hirseähnliche Pustel aus, doch der Puls wird zackig, der Urin klar; der Tod wird erwartet.
Sie verliert den Verstand, die Stimme erlöscht, sie gibt einige Tropfen Blut von sich; der Bauch schwillt an, der Leib, der vorher hart war, wird (zur Kotausscheidung) angeregt; um die neunte Abend(stunde) wurde sie nach zwischenfallendem Puls ausgelöscht.
Im Körper der Verstorbenen wird in der untersten rechten Lunge, dort wo sie dem Zwerchfell anliegt, ein grosses Geschwür voll gut gekochten gelblichen Eiters gefunden. Uterus verhärtet, dessen Mund stark zusammengezogen, Ursachen spärlicher Menses und verschiedener Übel, die sie während des ganzen Lebens aus dem Uterus durchgemacht hat. Also ist die wahre Peripneumonie eine Entzündung der Lunge. Also (stammt) der Schmerz von der leidenden Lunge und (ist) nicht stechend noch heftig, wenn nicht ein anderer Teil betroffen ist. Also ist der Sitz der Pleuritis nicht in der Lunge. Also ist der Puls in der Peripneumonie vom Anfang an zuweilen hart, entgegen den gewöhnlichen Begriffsbestimmungen. Also (sind) Änderungen des Urins zum Klaren mit Recht verdächtig, (gemäss) Hippokrates.
In der Zwischenzeit befindet sich die ältere der Schwestern, bei Zurückweisung des Ratschlags des Empirikers, gemässigt. Am achten Tag ihrer Krankheit wird alles schlechter. Puls rasch, schwach, mit Hüpfern; innere Hitze, Verzweiflung des Gemüts; die hirseähnlichen Pusteln treten zurück. Alle Hoffnung auf ein leichtes Zeichen der Kochung, das der Urin zeigte. Gegeben wurden Absude, die auch der Schwester verabreicht wurden, zusammen mit herzstärkenden Mitteln.
An sich selbst verzweifelnd keuchte sie am neuten Tag; der Puls wurde wie am Tag zuvor wahrgenommen, sie trank kaltes (Wasser), Medikamente wies sie zurück. Ich riet zu einem Blasenpflaster zur Anregung der langsamen Blutbewegung bei der beinahe jede Stunde die Auslöschung androhenden (Kranken).
Da der Ratschlag zurückgewiesen wurde, empfahl ich Muscat-Wein, gemeiniglich von Saint Laurent, ohne jedes andere Medikament; die Kraft dieses Weines hatte ich bei Abszess der Lungen erfahren.
So begann sie am elften Tag Eiter mit Blut auszuspucken, nicht ohne Erleichterung. Der Puls wurde beschleunigter, die Beklemmung geringer. Dem Wein wurden Brustabsude beigefügt.
So begann nach und nach um den achtzehnten Tag der Urin kleienartige Sedimente abzusetzen, wenig darauf hörte die Aushustung des Eiters auf, und (so) wurde sie geheilt. Also ist die Ausscheidung von reinem Blut nicht ihmmer übel, und der Abszess der Lungen bildet sich vor dem vierzehnten Tag; aus höchster Einsicht hat Hippokrates süsse Weine im Lungenabszess empfohlen.
Albertus Hallerus D., ordinis medici h. t. decanus, clarissimi viri Iohannis Hieronymi Chemnitii disputationem inauguralem indicit et aliquas de morbis pulmonum observationes adiicit. GottingaeTypis Ioh. Christ. Schulzii acad. typogr. MDCCXLIX. (Bibl. Hall. 1038) (Übers. UB)
„[3] §. I.
Aus meinen Aufzeichnungen lege ich einige Beobachtungen über gewöhnliche Lungenkrankheiten vor, auf die vielleicht bezüglich der strittigen Ursachen einiges Licht fallen könnte, betreffend Pleuritis nämlich und Peripneumonie; deren jene gemeiniglich als Entzündung der Pleura oder der Zwischenrippenmuskeln, diese aber als (Entzündung) der Lunge bestimmt sind, die aber unsere Beobachtungen auf – wenn ich nicht irre – andere Krankheitsursachen zurückführen.
§. II.
Im Monat Januar des Jahres 1733 erkrankte eine edle Familie zusammen an einer verderblichen Krankheit, Mutter nämlich, drei erwachsene Jungfern und eine der Mägde. Als eine der Jungfern und die Mutter und die Magd schon augelöscht waren, werde ich gerufen, finde zwei pleuritische Schwestern, die eine am vierten, die andere am dritten Tag der Krankheit. Puls stark, hart, wirklich pleuritisch, Auswurf gallig, höchste Angst. Nach einem hirseähnlichen Ausschlag genas die eine der Jungfern ziemlich rasch, nachdem sie gut gekochten Eiter in nicht mittelmässiger Menge ausgeworfen hatte. Die andere (Jungfer), nach einem ähnlichen Ausschlag und unterbliebenem Aderlass zu Beginn der Krankheit, starb, kurz (zusammengefasst).
Am achten Tag öffnete ich den Körper, es war im rechten Lungenlappen, an unterster Stelle, ein grosser Abszess, voll mit weiss-gelbem und gesundem Eiter; Eiter von gleicher Art hat die Schwester, die genesen ist, reichlich ausgeworden, so dass es offenkundig war, dass beide einen ähnlichen Lungenabszess hatten. (Es bestand) hier kein Fehler der Pleura, denn jener Bereich der Lunge war durch den Abszess beeinträchtigt, der dem Zwerchfell aufliegt. Ich könnte eine grosse Menge ähnlicher Ereignisse zur Bestätigung unserer Beobachtung anführen. So gehören allein in Bonets Sepulchretum die Beobachtungen IV, XX. und andere hierher. Ferner wird selbst der Auswurf der Pleuritiker aus der Entzündung der Lunge leicht begriffen, indem etwas Materie, durch erschlaffte Ausatmungs- oder schleimführende Gefässe sich einen Weg in die Bronchien bahnt. Wie aber von der Pleura Entzündungsmaterie bei unversehrter Lunge in die Luftröhre gelangen soll, sollen jene zu verstehen suchen, die dies behaupten. Es wird also nicht nutzlos sein, derartige Beobachtungen zu wiederholen, damit nicht eine weniger wahre Theorie an Kraft gewinnt. Es ist nämlich überaus selten – ich wiederhole es – und mir nie vorgekommen, dass die Pleura allein entweder durch Entzündung einen Menschen umgebracht, oder Eiter allein in ein Empyem ergossen hat. Diese Seltenheit, auch wenn ich gegenteilige Erfahrungen nicht ausgeschlossen haben will, scheint mir doch von einigem Wert, die Ärzte daran zu erinnern, dass sie sich einprägen, dass in der Pleuritis eine überaus schlimme Entzündung viel eher eines edelsten Eingeweides als einer Membran (stattfindet) (und) dass sie sich daher nach starke und unverzüglichen Rettungsmitteln umsehen.“
Mit einigen typographischen Änderungen abgedruckt in Hallers Opuscula pathologica 1755, S. 26-28, Obs. XIII. Pleuritidis in pulmone sedes (Bibl. Hall. 1039) und 1768, Obs. XV. (Bibl. Hall. 1040), ferner in des Opuscula pathologica 1768 (Bibl. Hall. 1010) in den Opera minora (Bibl. Hall. 0336), Bd. 3, S. 293 f.